Dresden: Tränen und Pyrotechnik: So war das Konzert von “Feine Sahne Fischfilet” in Dresden

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Feuilleton


Tränen und Pyrotechnik: So war das Konzert von “Feine Sahne Fischfilet” in Dresden

Am heißesten Tag des Jahres mischen die Polit-Punker von Feine Sahne Fischfilet das Elbufer in Dresden auf. Ein grandioser, überraschend emotionaler Auftritt. Und auch ein kritisches Thema wird nicht ausgespart.

"Monchi", der polarisierende Sänger von "Feine Sahne Fischfilet", gibt beim Konzert in Dresden alles.
“Monchi”, der polarisierende Sänger von “Feine Sahne Fischfilet”, gibt beim Konzert in Dresden alles.
© SZ/Veit Hengst

Dresden. Woher der Erfolg der Punk-Band “Feine Sahne Fischfilet” kommt, wissen die Musiker wahrscheinlich selbst nicht. Ein Sänger der nicht singen kann, simple Melodien und manchmal fast kitschige Texte reichen normalerweise nicht aus, um große Hallen zu bespielen. Doch was ist schon normal? Und so füllten die fünf Musiker um den bekannten Sänger Jan “Monchi” Gorkow am Samstag locker das Dresdner Elbufer und spielten dabei ein großartiges, wie ernstes Konzert.

“Feine Sahne Fischfilet” stehen für Punkrock, mit Refrains, die perfekt sind zum Mitgrölen, meist politisch, manchmal auch einfach nur bierdurstig. Eine in vielen Songs recht dominante Trompete sorgt für ein bisschen Chichi, die sie von der Punkmasse abhebt. Und live waren “FSF” schon immer eine Naturgewalt.

Feine Sahne Fischfilet: Zwei Mitglieder sind ausgestiegen

Dass die Band an diesem Abend so auf der Bühne steht, ist nicht selbstverständlich. Denn im Frühling 2022 sah sich die Band mit schweren Vorwürfen konfrontiert. Ein Kollektiv namens “Niemand muss Täter sein” (als Anspielung auf die bekannte Textzeile “Niemand muss Bulle sein”) warf vor allem Sänger Monchi sexuelle Übergriffe gegen Frauen vor. Die Band schaffte es lange nicht, sich klar zu positionieren. Bis im April 2022 Gitarrist Christoph Sell und Trompeter Jacobus North aus der Band ausstiegen – unter anderem wegen der Vorwürfe.

Die Vorwürfe wegen sexueller Übergriffe richten sich vor allem gegen Sänger Monchi.
Die Vorwürfe wegen sexueller Übergriffe richten sich vor allem gegen Sänger Monchi.
© SZ/Veit Hengst

Vom anklagenden Kollektiv kam danach wenig. Anders als im Fall Rammstein hat bis heute keine Betroffene ihren Fall öffentlich gemacht. Bei dem Hass, der diesen mutigen Frauen entgegenschlägt, nur verständlich. Der Fall liegt im Dunklen.

Die Band wirkt reifer und professioneller – das ist gut!

Doch das Thema wabert durch die Köpfe, auch am Dresdner Elbufer. Auch, weil Kritiker ein Banner an einer Elbebrücke angebracht haben. Die ersten beiden Songs sind die erste Single vom aktuellen Album “Kiddies im Block” und das äußert tanzbare “Alles auf Rausch”. Die ersten Pyros werden gezündet, es stinkt nach Schwefel.

Kritiker der Band Feine Sahne Fischfilet haben ein Banner aufgehängt.
Kritiker der Band Feine Sahne Fischfilet haben ein Banner aufgehängt.
© SZ/Veit Hengst

In seiner ersten Ansage versucht Monchi die Flucht nach vorn. “Es muss Veränderung geben, nie Stillstand. Und auch beim Thema Sexismus, da muss man vor allem auf sich selbst gucken.” Er meint die Vorwürfe, der Text wirkt einstudiert und etwas fehl am Platz. Was nicht einstudiert ist, sind die nächsten Worte: “So viele Menschen bei so einer scheiß krassen Hitze – wir hatten Angst viele bleiben zu Hause.”

Der Samstag ist mit höchstens 37°C der bislang heißeste Tag des Jahres. Am Elbufer brennt die Sonne. Immerhin gibt es gratis Wasser und einen freundlichen Sicherheits-Mitarbeiter, der Wasser in die Menge schießt.

Der beliebteste Mann am Samstag am Elbufer sorgte für Erfrischung.
Der beliebteste Mann am Samstag am Elbufer sorgte für Erfrischung.
© SZ/Veit Hengst

Zuletzt waren “Feine Sahne Fischfilet” 2019 am Elbufer in Dresden zu Gast. Seitdem hat sich die Band weiterentwickelt. Nicht nur ist der Sound um Längen besser und klarer, auch die Musiker selbst sind es. Klar: Auffällig ist, dass Sänger Monchi nach seiner 60-Kilo-Abnehm-Odyssee mehr Luft hat. Aber der ganze Auftritt wirkt reifer, das Zusammenspiel von Licht und Ton ausgereifter und die Ansagen besser vorbereitet. Das steht der Band beinahe überraschend gut.

Ein Hit leidet unter der Band-Neubesetzung

Nach einer dreiviertel Stunde Konzert wird es dann schwer emotional. Monchi beginnt, von seinen Eltern zu erzählen. Dass sie immer die Starken gewesen seien, ihn oft aus dem Dreck gezogen hätten. In letzter Zeit häuften sich jedoch Arztbesuche. Er frage sich, bei wie vielen Album-Releases sie noch dabei sein können. Er habe ihnen vor Jahren schon ein Lied geschrieben.

Und dann kommen sie einfach so auf die Bühne, die Eltern. Und zum Klang von “Niemand wie ihr”, legen beide einen etwas holprigen Paartanz hin. Egal: 10.000 Menschen singen die Zeilen “Sollte ich mal Kinder haben, will ich so sein wie ihr!”. Monchi weint. Monchis Vater weint. Und auch der Chor singt die Zeilen beim zweiten Mal deutlich tränenerstickter.

Monchis Eltern tanzen zum Lied "Niemand wie ihr".
Monchis Eltern tanzen zum Lied “Niemand wie ihr”.
© SZ/Maximilian Helm

Da geht der folgende Song etwas unter, obwohl ein kleines Politikum darin steckt. Die großartige Ballade “Warten auf das Meer” wurde stets von Gitarrist Christoph Sell gesungen – doch der hat die Band 2022 verlassen. Sein Nachfolger Hauke Segert gibt alles. Er wird dem Song, der sonst ein verlässlicher Höhepunkt jedes “Feine Sahne”-Konzerts ist, aber nicht ganz gerecht.

Nicht ununterbrochen aufs Gaspedal drücken

Es gibt einen kuriosen Glücksfall in der Geschichte der Band: Die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht Mecklenburg-Vorpommerns im Jahr 2009, die sie überregional bekannt machte. Auch wenn “Feine Sahne Fischfilet” heute weniger plump linksradikal und deutlich gemäßigter daherkommen, die Band ist für viele Menschen ein politischer Anker.

Gerade in Dresden dürfen diese Themen deshalb nicht fehlen: der AfD-Wahlsieg in Sonneberg, Seenotrettung von Geflüchteten, Widerstand gegen Rechts. Noch vor Tagen hätten sie in Thüringen Solidaritäts-Garagenkonzerte gespielt, erzählt Monchi. Es ist, was viele auf diesen Konzerten suchen: ein Zusammengehörigkeitsgefühl und die Gewissheit, mit linken Idealen nicht allein dazustehen.

Pyrotechnik ist ein fester Bestandteil jedes "Feine Sahne Fischfilet"-Konzerts.
Pyrotechnik ist ein fester Bestandteil jedes “Feine Sahne Fischfilet”-Konzerts.
© SZ/Veit Hengst

In der letzten halben Stunde spielen sich Band und Publikum in einen Rausch. Es folgt Zugabe um Zugabe. Ein Highlight ist “Irgendwann”, das einem verstorbenen Fan namens Hannes gewidmet ist. Es verstetigt sich der Eindruck: Die Band drückt nicht ununterbrochen auf das Gaspedal, gibt den Liedern und Geschichten Luft zum Atmen. Denn etwas zu erzählen haben diese fünf Männer aus Mecklenburg-Vorpommern.

“Wenn ich nach Hause komme, werde ich von euch erzählen”

Beim vorletzten Song ist die Bühne voll. “Wasted in Jarmen”, inzwischen ein Klassiker, der das Engagement gegen Rechts in Form eines bandeigenen Festivals in der ostdeutschen Provinz thematisiert. Alle mitgereisten Onkel und Cousins, Bandfreunde und Crewmitglieder stehen gemeinsam vor den Massen. Wohl das Bild, was die Band am besten beschreibt.

Ein Musikmagazin hat “Feine Sahne Fischfilet” und ihrer Musik einmal unterstellt “nicht modern” zu sein, dafür “Wut, Herz und Haltung” zu haben. Wenn 10.000 Menschen vor und 50 Menschen auf der Bühne sich gegenseitig feiern, dann werden schiefe Töne zur Nebensache. “Wenn ich nach Hause komme, werde ich von euch erzählen. Das hier war ziemlich echt”, sagt Monchi zum Abschied. Woher der Erfolg von “Feine Sahne Fischfilet” kommt? Von genau diesem Gefühl.

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