“Großenhain ist mehr als nur Spekulationen um Rheinmetall”
Von
Catharina Karlshaus
6 Min.

© Kristin Richter
Großenhain. Bis zu seinem Urlaub im August muss er noch etwas warten. Aber immerhin geben die Bäume in der Innenstadt einen kleinen Vorgeschmack auf all das, was Großenhains Oberbürgermeister außerhalb seiner Amtsstuben so liebt. Der Aufenthalt unter freiem Himmel ist für den promovierten Forstwirt ein großer Kraftquell. Allerdings: Um die Vegetation in seiner an sich grünen Heimatstadt macht sich der 45-Jährige doch schon seit geraumer Zeit Gedanken. Nicht der einzige Grund für Sorgenfalten, bekennt Sven Mißbach im traditionellen Sommerinterview mit Sächsische.de.
Herr Mißbach, können Sie das Wort Rheinmetall eigentlich noch hören?
Ehrlicherweise zählt es momentan nicht zu meinen Lieblingswörtern! Was jedoch keineswegs mit dem mir letztlich an sich unbekannten Unternehmen zu tun hat. Aber tatsächlich haben die nicht enden wollenden Spekulationen eine durchaus belastende Komponente für mich und vor allem die Großenhainer. Diese gewissermaßen aus dem Nichts heraus über uns gekommene Welle aus Vermutungen, Ängsten und Sorgen, Unverständnis und jeder Menge offener Fragen ist seit Ende März so richtig über uns zusammengeschlagen. Jedes Mal, wenn wir gerade wieder aufgetaucht sind und Luft geschnappt haben, kam eine neue Flut von Medienberichten und politischen Statements, die wiederum weitere Reaktionen nach sich zogen und damit künftig dieses Flächen-Filetstück eventuell
für andere potenzielle Investoren sogar unattraktiv erscheinen lassen könnten. Großenhain ist doch viel mehr als nur Spekulationen um Rheinmetall! Insofern gebe ich ganz
offen zu, dass ich mich nur noch ungern zum Thema äußern möchte.
Eines, welches aber nun mal wie von Ihnen selbst gerade treffend beschrieben, die Großenhainer bewegt. Haben Sie eine Ahnung, wie es während des Sommers hinsichtlich des Industriegebietes Großenhain Nord weitergehen wird?
Nicht die leiseste! Es gibt keinerlei Informationen und wir selbst sind ohnehin an keinen Gesprächen beteiligt. Eine Erfahrung, die wir ja so noch nicht gemacht haben. Bisher kamen interessierte Unternehmen zu uns, haben sich vorgestellt und dargestellt, welche Voraussetzungen sie für eine mögliche Ansiedlung in Großenhain benötigen. Im Fall von Rheinmetall ist es gänzlich anders. Wir können nur abwarten und hoffen. Denn ich wünsche mir, so wie viele Großenhainer auch, dass der Flugplatz nicht mehr militärisch genutzt wird. Die bloße Vorstellung, dass er das könnte, liegt vielen Menschen sehr im Magen.
Und die vermeintliche Pulverfabrik war nicht das einzige Ärgernis im ersten Halbjahr. All jene Eigentümer einer alten DDR-Garage hatten angesichts von Kündigungen schlaflose Nächte und viel Verdruss. Wie viele Fehler seitens der Verwaltung räumen Sie da ein?
Zunächst einmal ist festzustellen, dass es uns nicht gelungen ist, diese für viele Eigentümer sensible Angelegenheit so zu kommunizieren, wie es nötig gewesen wäre! Ich möchte das gar nicht schönreden. Die Erklärung dafür liegt in der personellen Situation der Wohnungsverwaltungs- und Baugesellschaft. Die Garagen-Standorte waren ja mit Zustimmung der Stadträte 2021 an die Gesellschaft übertragen worden. Zu spät wurden aus unterschiedlichen Gründen ein Konzept zur Weiternutzung vorgelegt und Kündigungen verschickt, bevor mit den Eigentümern überhaupt gesprochen worden ist. Inzwischen sind wir da auf einem guten Weg, denke ich, und werden im September so weit sein, geeignete Modelle zur Weiternutzung vorzustellen. Bei aller angebrachten Selbstkritik möchte ich allerdings trotzdem noch anmerken, dass wir bei allem Verständnis für die emotionale Situation aktuell geltendem Recht verpflichtet sind! Ob sich tatsächlich gegenteilig praktizierte Lösungen langfristig durchsetzen und vor allem juristisch als haltbar erweisen, bleibt abzuwarten.
Lange warten mussten auch all jene, die am Konzept eines neuen
Kulturzentrums am Schloss mitgewirkt haben. Wie groß war die Erleichterung
Anfang Juni?
Ehrlicherweise bei allen Beteiligten sehr groß! Ich persönlich habe mich sehr gefreut, dass sich der Stadtrat nach über einem Jahrzehnt für die Konzentration von Begegnungs- und Serviceangeboten, Kunst, Kultur und Vereinswesen am Standort Alte Kelterei in unmittelbarer Nähe zum Kulturschloss ausgesprochen hat. Damit liegt jetzt zwar noch sehr viel Arbeit vor uns, aber wenigstens sind endlich der Fahrplan und die Richtung klar! Abgesehen von den baulichen Umständen einzelner dabei beteiligter Objekte können wir künftig anders planen. Personelle Engpässe in den verschiedensten Bereichen auszugleichen – wie momentan bereits im Soziokulturellen Zentrum Alberttreff – wird immer mehr zur Herausforderung werden. Eine Kooperation unterschiedlicher Sparten kann da hilfreich sein und einiges abfangen. Und natürlich schafft ein kulturelles Zentrum auch einen Anreiz für einen Besuch in der Innenstadt. Sie wird dadurch aufgewertet, weil stärker frequentiert.
Einen solchen Fahrplan gibt es darüber hinaus auch für das Alte Schloss Zabeltitz. Ist die Wiederauferstehung des einstigen Landambulatoriums realistisch?
Nicht in dieser nostalgischen Form, wie es Ihre Frage vielleicht suggerieren mag! Nein, das ist nicht zu stemmen! Fest steht jedoch einerseits, wir können das in unserem Besitz befindliche historische Anwesen nicht sich selbst überlassen. Der Zahn der Zeit nagt gewaltig, das Dach ist an der einen oder anderen Stelle bereits durchlässig. Hier muss dringend etwas getan werden! Auf der anderen Seite sehen wir uns Kosten der Sanierung gegenüber, die wir so nicht allein aufbringen können. Deshalb wäre es tatsächlich sinnvoll, das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden. Die Machbarkeitsstudie gibt Möglichkeiten vor, über etwaige Nutzungen als Gesundheitszentrum in Einklang mit denkmalpflegerischen Anforderungen nachzudenken. Wer schon mal selbst saniert hat, weiß, da bekommt man nichts geschenkt, im Gegenteil, die Kosten sind hoch. Im Falle des Alten Schlosses erst recht. Deshalb brauchen wir Partner, vielleicht sogar Investoren im Boot.
Die Rede ist möglicherweise von den Elblandkliniken?
Ja, mit diesen werde ich sprechen. Man muss sehen, ob ein medizinischer Standort auf dem Land angesichts der immer älter werdenden Bevölkerung sinnvoll ist. Aber das gilt es, alles in Ruhe mit den richtigen Fachleuten an der Seite abzuwägen.
Wenn Sie abwägen, was die Monate nach der kommunalpolitischen Sommerpause bringen – was fällt Ihnen spontan ein?
Drei Dinge! Ehrlicherweise wird sich das Thema Industriegebiet Großenhain Nord nicht in den Dauerurlaub verabschieden. Allerdings wünsche ich mir – egal, wie es jetzt auch ausgehen mag – einen sachlichen und transparenten Kommunikationsstil aller Beteiligten. Alles andere ist schädlich für unsere Stadt. Darüber hinaus werden wir die städtischen Finanzen klar im Blick behalten müssen und wir werden uns dem Klimaschutz noch stärker zuwenden. Schauen Sie sich nach den letzten heißen Tagen die Bäume hier an! Sie verbrennen zusehends, da können wir nicht tatenlos zusehen. Ich bin froh, dass wir ab Herbst fachlich zusätzlich durch eine Klimaschutzmanagerin unterstützt werden. Eine gebürtige Großenhainerin übrigens, die in England tätig gewesen ist und nun mit all ihrer gesammelten Erfahrung zurückkehren wird.
Herr Mißbach, wir befinden uns mitten in der Urlaubszeit! Wann packen Sie Ihre Koffer?
Im August ist es bei mir so weit! Ich freue mich schon sehr auf die gemeinsame Zeit mit der Familie, die wir unter anderem in Schleswig-Holstein verbringen werden.