Podcast: Dynamos Mann für besondere Fälle im Interview

© Max Patzig, SZ-Montage
Walchsee. In einem Trainingslager verschieben sich die Prioritäten, selbst bei Fußballteams. Dynamo Dresden macht da keine Ausnahme. Der Cheftrainer bleibt natürlich derjenige, der die Regeln aufstellt, Ansagen macht und letztlich alle Entscheidungen trifft. Markus Anfangs Stimme ist deshalb auf dem Rasenplatz oberhalb des Walchsees nicht zu überhören.
Mehr denn je im Fokus, das jedoch vorrangig wegen ihrer Arbeit, stehen während der Saisonvorbereitung und insbesondere im Trainingslager allerdings auch die Physiotherapeuten – sowie der Reha- und Athletiktrainer. Matthias Grahé, der diese Position bei Dynamo seit 2019 innehat, ist sozusagen der Mann dieser Tage am Walchsee. Immerhin geht es darum, die Mannschaft fit zu bekommen für eine Saison, an deren Ende die Dresdner den Aufstieg feiern wollen.
Grahé will das auch, und die Verantwortung für den Fitnesszustand übernimmt er gern. Ihm deshalb aber eine exponierte Position zuzuschreiben – damit kann der 55-Jährige herzlich wenig anfangen. “Ich nehme mir nicht die Wichtigkeit raus. Ich bin auch nur Teil eines sehr, sehr gut funktionierenden Trainer- und Betreuerteams. Es macht aktuell einfach Spaß, und ich hoffe, dieses aktuell hält noch ein paar Jahre an”, sagt er in der neuen Folge von “Schwarz-Gelb, der Dynamo-Podcast”, die atmosphärisch eine besondere ist.
Bei Sonnenuntergang und mit Blick auf die Bergketten des Kaisergebirges gibt Grahé auf der Hochterrasse des Mannschaftshotels einen Einblick in seine Arbeit. Und im Hintergrund spielt die Bundesmusikkapelle ihr Platzkonzert auf dem Dorfplatz.

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Der gebürtige Bad Muskauer erzählt zudem von seiner Karriere im Fußball, die ihn von Energie Cottbus (“Wie eine erste Liebe, lange vorbei und trotzdem immer in Erinnerung”), über das rumänische Cluj, Viktoria Köln sowie Danzig und Leipzig nach Dresden gebracht hat. “Ich hatte schöne Stationen und konnte mich mit jedem Verein identifizieren – weil ich meinen Beruf aus vollster Überzeugung mache”, sagt Grahé.
Authentisch, leidenschaftlich, absolut akribisch – Attribute sind das, die ihn beschreiben. Und wenn Grahé sagt, schon immer Dynamo-Fan zu sein, ist das tatsächlich so. Das Europapokal-Heimspiel gegen Uerdingen im März 1986 hat er live im Stadion verfolgt, auch zu vielen anderen Partien ist er gekommen – erst mit dem Bus von Bad Muskau nach Weißwasser, dann weiter mit dem Zug. Die größte Strafe seiner Mutter bei ertappten Jugendsünden: Stadionverbot. “Mit meiner Arbeit für Dynamo ist natürlich auch ein kleiner Lebenstraum in Erfüllung gegangen”, sagt er.
Die Annehmlichkeiten seines Berufs weiß Grahé ebenso zu schätzen wie die Bedingungen am Walchsee. “Das ist für uns als Drittligist nicht selbstverständlich, und das wissen auch unsere Spieler – weil wir als Trainerteam ihnen das vorleben”, sagt Grahé. Von Demut spricht er und das auch er privilegiert sei. Dieses Empfinden möchte er vermitteln. “Es geht darum, die Jungs zu sensibilisieren und ihnen klarzumachen, dass sie bei 40 Grad Celsius für anderthalb Stunden auf dem Platz stehen. Ich habe in der Verwandtschaft aber Leute, die stehen bei den Temperaturen sechs bis acht Stunden auf dem Dach”, betont Grahé.

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Die ersten Kontakte mit dem Profifußball hatte er übrigens, als der Dresdner Eduard Geyer den FC Energie bis in die Bundesliga führte. Nicht aber als Athletiktrainer, da verfügte der “Ede gnadenlos” genannte Geyer über eigene Methoden. Grahé arbeitete zu dieser Zeit, Ende der 1990er-, Anfang der 2000er-Jahre, als Physiotherapeut mit Spezialisierung Rehatrainer in einem Cottbuser Rehazentrum. “Ich habe versucht, die verschlissenen Spieler von Herrn Geyer wieder auf Vordermann zu bringen”, meint Grahé lachend. Seinen Einstieg bei den Fußballprofis hatte er dann 2007 unter Cheftrainer Bojan Prasnikar.
Bei Dynamo ist er mittlerweile sehr viel mehr als nur Athletiktrainer mit den Kernaufgaben, die Erwärmung zu leiten und Spieler nach Verletzungen wieder ans Mannschaftstraining heranzuführen. Grahé ist Seelenstreichler der Profis, Krisenbegleiter, Motivator. Dabei geht es ihm nicht immer allein um den Fußballer und seine Verletzung, bei Grahé steht der Mensch im Mittelpunkt, sein Umfeld und nicht zuletzt auch die Familie. “Ich wollte mal Lehrer werden. Vielleicht liegt es daran, dass ich ein bisschen begleiten und auch gut zuhören kann”, sagt er.
Und fit ist Grahé natürlich auch. Alles, was er verlangt, möchte er vormachen können. Das ist sein Anspruch. Nur mit dem Hobby Laufen ist das in diesen Tagen so eine Sache. Er kommt rein zeitlich nicht dazu – und kann gut damit leben. Wohlwissend, dass im Trainingslager die Prioritäten schon mal anders liegen.
Außerdem in dieser Podcast-Folge: Interviews mit Paul Will, der als einer der Kandidaten für die Kapitänsbinde gilt, zudem Torwart Kevin Broll und Neuzugang Tobias Kraulich sowie O-Töne von den mitgereisten Fans.