Nünchritz: Im Discounter die Beherrschung verloren
Von
Manfred Müller
3 Min.

© Paul Glaser/glaserfotografie.de
Nünchritz. Wer Gerichtsverhandlungen verfolgt, lernt immer wieder etwas Neues. Zum Beispiel, dass nur ein Konjunktiv zwischen einer drastischen Meinungsäußerung und einer Bedrohung liegt. Sagt man zu jemandem: „Ich könnte dir eine klatschen!“, dann bewegt man sich noch im Bereich des Erlaubten. Sagt man ihm aber: „Ich klatsch dir eine!“, gilt das als strafwürdiger Sachverhalt.
Um diesen Unterschied ging es jüngst bei einer Verhandlung vor dem Riesaer Amtsgericht. Auf der Anklagebank saß eine junge Frau aus Rumänien, die kurzzeitig in einer Nünchritzer Pension beschäftigt war. Ihre Chefin hatte ihr bereits in der Probezeit wieder gekündigt, und das war der Hotelfachfrau bitter aufgestoßen. Außerdem fühlte sich die 32-Jährige um einen Teil ihres Arbeitslohnes geprellt und war entsprechend auf Brass.
Ein paar Tage nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses traf sie ihre Chefin beim Einkauf im Nünchritzer Lidl-Markt wieder. Sie lief ihr hinterher und wollte die Wirtin wegen eines angeblich noch ausstehenden Geldbetrages zur Rede stellen. Diese aber ließ sich auf keine Diskussion ein und wandte sich ab. Daraufhin soll es eine Reihe von drastischen Beschimpfungen gegeben haben, darunter Worte wie „Betrügerin“, „Schlampe“ und „Dreckvieh“. So hat es die Betroffene jedenfalls bei der Polizei angegeben.
Angeklagte bestreitet die Äußerungen
Einige Zeit später tauchte die Angeklagte mit einem Bekannten in der zur Pension gehörigen Gaststätte auf. Die Chefin wies daraufhin ihr Servierpersonal an, die beiden nicht zu bedienen. Es gab erneut eine lautstarke Auseinandersetzung, in der die anfangs genannte Ohrfeigen-Drohung geäußert worden sein soll. Die Wirtin kann sich im Zeugenstand allerdings nicht genau an den Wortlaut erinnern. Hieß es nun „Ich klatsch dir eine!“ Oder „Ich könnte …!“ In diesem Falle ist das Gericht gehalten, „In dubio pro reo“, im Zweifel zugunsten der Angeklagten, zu entscheiden.
Anders verhält es sich hingegen mit den Beleidigungen, die im Lidl-Markt geäußert worden sein sollen. Die werden von der Angeklagten zwar vehement abgestritten, aber Richter Alexander Schreiber schenkt in diesem Falle der Geschädigten mehr Glauben. Das hängt auch mit dem Auftritt der 32-Jährigen im Verhandlungssaal zusammen. Dort tut die Rumänin so, als sei nach ihrer Kündigung alles easy gewesen und sie habe überhaupt keinen Grund gehabt, auf ihre Ex-Chefin wütend zu sein. Andererseits schildert sie ausführlich und mit vielen Wiederholungen, dass sie sich um mehrere Hundert Euro betrogen gefühlt habe. Darüber hinaus fällt sie der Zeugin und auch dem Richter ständig ins Wort, was darauf schließen lässt, dass es mit ihrer Impulskontrolle nicht zum Besten steht.
Ob bei der Lohnabrechnung alles korrekt zuging, ist aber auch nicht Gegenstand des Strafverfahrens. Das könne sie mithilfe eines Rechtsanwalts auf arbeitsrechtlichem Wege klären, erklärt Richter Schreiber der Angeklagten. Von dem ursprünglich erhobenen Tatvorwurf der Bedrohung wird die temperamentvolle junge Frau zwar freigesprochen, um eine Bestrafung wegen der Beleidigungen kommt sie jedoch nicht herum. Das Gericht verurteilt sie zu einer Geldstrafe in Höhe von 1.350 Euro. Eine ziemlich teure Variante, seinem Herzen mal so richtig Luft zu machen.